Wenn wir uns schuldig fühlen ...

 

Jede Mutter, jeder Vater kennt das: Wir machen einen Fehler im Umgang mit unserem Kind, fühlen uns schuldig, haben ein schlechtes Gewissen und möchten gern alles ungeschehen machen. Wir kennen Schuld als treuen meist sehr unbewusstem Begleiter. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten sich schuldig zu fühlen:

Mein Kind hat sich verletzt, weil ich nicht genug aufgepasst habe, unachtsam war.

Ich habe nicht genug Geld, all das anzuschaffen, was ich meinem Kind gern gönnen würde.

Ich war nicht da, in einer Situation, in der mein Kind mir gebraucht hätte

Ich habe „falsch“ oder „über“-reagiert

Ich habe es vor einer schlechten Erfahrung, Schmerzen, Kränkung nicht schützen können

Ich habe meine Wut, meinen Frust, meine Trauer nicht meinem Partner gezeigt, sondern mein Kind schlecht behandelt

Ich habe die Zeit schlecht eingeteilt, dann meine Kinder angeschrien, weil sie zu langsam, zu verspielt waren

Ich habe die Not meines Kindes nicht erkannt

Ich konnte die Familie nicht zusammen halten, habe die Trennung zugelassen

Ich habe mich nicht früh genug getrennt, die Kinder haben gelitten.

Ich bin ungerecht, wenn sich meine Kinder streiten

Ich bevorzuge eines meiner Kinder, dabei sollte ich alle gleich lieben.

Diese Liste könnten wir beliebig fortführen. Überall können Eltern sich schuldig fühlen.

Doch Schuld nützt keinem was. Schuld macht uns klein, falsch und beschämt. Sie bringt nur die Gelegenheit mit sich, auf uns selber rum zu hacken, uns fertig machen.

Am wenigsten nützt sie unserem Kind.

Die Folge von Schuld ist fast immer, dass wir beginnen ein Reparaturprogramm zu installieren, eine Art Wiedergutmachung.

Wir sagen nicht „nein“, wo es sinnvoll wäre.

Wir kompensieren unsere mangelnde Zeit mit Geschenken, Geld, Konsum, Zugeständnissen.

Wir werden manipulierbar, denn ein schlechtes Gewissen und Scham über unser Versagen, lassen uns irrational werden und den Bezug zum  Wesentlichen verlieren. Wir versuchen einen Ausgleich zu schaffen.

Leider funktioniert das Leben so nicht. Die Beziehung zu Menschen ist kein Bankkonto, wenn da etwas ins Soll gerät, fülle ich das hier wieder auf und am Ende stimmt der Kontostand?

Das ist eine Milchmädchen-Rechnung, die nicht aufgeht.

Scheitern gehört zum Leben, Fehler passieren, das ist menschlich und lässt sich nicht vermeiden.

Das Einzige, das wir wirklich tun können, ist Verantwortung zu übernehmen, für das, was in meinem Leben vermeintlich schief läuft.

Für die großen, wie für die kleinen Fehler.

Wenn ich mich verantwortlich zeige, für die Dinge, die in meinem Leben sind, für meine Fehler, für mein Scheitern und Versagen, für meine Reaktionen, dann bleibe ich aufrecht. Bin menschlich und ehrlich; ich mache mich nicht schlechter als ich bin, aber auch nicht besser.

Es ist ein großer Unterschied, ob ich mich für bestimmte Umstände in meinem Leben schuldig oder verantwortlich fühle.

Bei letzterem bleibe ich handlungsfähig und die Chance es bei nächster Gelegenheit besser zu machen, ist weit größer.

Außerdem sind Scheitern, Versagen, Straucheln Lebensqualitäten, die einen Menschen reifen lassen. Zu mir zu stehen, mit all meinen Fehlern lässt mich Mitgefühl entwickeln. Zunächst für mich selbst und dann für mein Gegenüber. Wo Mitgefühl lebt, ist Liebe in Aktion und das ist in Beziehungen weit mehr als die halbe Miete, oder?


Autorin: Susanne Sonnleitner